Alpenbrevet

Touren mit Pino, Tandem, Normalrad und Transportfragen mit Bahn, Auto, Flieger

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Alpenbrevet

Beitragvon Schaufelfahrer » 23.09.2008, 22:45

Alpenbrevet mit Pino?
Alpenbrevet: 120km 3600Höhenmeter 3 Alpenpässe (Grimsel, Furka, Susten) alles an einem Tag! - und das ist nur die Silber-Version. Ob das mit dem Pino möglich ist?

Vorgeschichte
Vor drei Jahren auf einer Fahrradtour sagte ich zu meiner Frau Yvonne: „Ich träume gerade einen wohl unerfüllbaren Traum: Mit Dir auf einem Tandem das Alpenbrevet“ ... „Also ich schenke dir zum Geburtstag mal eine Probefahrt“, war ihre Antwort. Zuhause habe ich dann im Internet Pino entdeckt und bald mit meinem Sohn ich einen ersten Ritt quer über den Schwarzwald und zurück auf einem Leihpino gemacht. Dann habe ich also dreist für die gewährte "Probefahrt" die Titanversion bestellt (schliesslich will man ja beim Alpenbrevet keine unnötigen Kilos mitschleppen.

Schon im letzten Jahr wollten wir die Alpentour machen. Aber der Kapitän fiel aus wegen Bronchitis. So ist Yvonne die Tour allein auf dem Rennrad gefahren und Donnerwetter: Sie hat es mit Erfolg geschafft!

Diesen Sommer haben wir in der Bretagne unsere Pino-Ferien gemacht. Durch das dauernde Auf- und Ab in der Nord-Bretagne fühlten wir uns für dieses Jahr gut vorbereitet. Also Pino auf das Dach vorn Lupo und auf nach Meiringen.

Abends kamen wir dann auf dem Zeltplatz an, es war ziemlich bedeckt, viele Velofahrer. Anfangs noch etwas schüchtern bauten wird dann das Zelt auf und setzten Pino das Vorderrad wieder ein. Irgendwie gelang es mir aber nicht, die Scheibenbremse richtig einzusetzen. Sie schleifte jedesmal, nach dem Bremsen. Na, egal. Erst einmal gingen wir essen. Die hochgelobte Pastaparty hat uns nicht so vom Sockel geholt. Schliesslich sind wir mit Schwägerin und Partner (die auch mitfuhren) in ein Restaurant gegangen und haben noch mal fein gegessen%u2026 Dann ab ins Zelt. Morgens in aller Herrgottsfrühe aus dem Schlafsack. Huu, unter all den Cracks! Sehnsüchtig suchte ich, ob es auch mal jemand Älteres gab. Naja ab und zu, aber die sahen auch alle so entsetzlich sportlich aus.

Start morgens um 6 Uhr 45.
[left]http://lh4.ggpht.com/heertsch/SNldOZcFRXI/AAAAAAAADCo/PZgn0b97nsQ/Alpenbrevet3-3.jpg[/left]Massenstart mit 1200 Teilnehmern: Wir reihten uns also artig unter die Letzten ein. Ausgerechnet jetzt musste die Vorderradbremse wieder schleifen! Aber wenn man das Rad gebremst zurückdrehte, ging es wieder. Wir wurden dann mit "Hallo" verabschiedet: "Sogar ein Tandem - und was für eins!" tönte es aus dem Lautsprecher, ja - und was für eines: Eines mit gebremsten Schaum! Diese blöde Bremse. [right]http://lh5.ggpht.com/heertsch/SNlc8v55sSI/AAAAAAAADCY/ZdmUBquIwm0/Alpenbrevet2-1.jpg[/right] Na wir fuhren jetzt mal so im Reigen der eher nicht so verbissen aussehenden, allerdings nur bis zur ersten Abfahrt gleich hinter Meiningen: diese Scheissbremse schleifte schon wieder! So war an Weiterfahrt nicht zu denken: Anhalten und Vorderrad herausnehmen. Dabei rutscht mir die Kontermutter aus der Hand und fällt den Felsen herunter ins Tal. Da ist Suchen aussichtslos. Dummerweise kam nun auch gerade noch der Tourfotograf: "Das nehme ich auf, das kommt in die Galerie." Auch das noch!

Immerhin kam bald das Pannenfahrzeug und half mit einer neuen Kontermutter aus. Bei dieser Gelegenheit untersuchte der Velomech (wie die Fahrradmechaniker in der Schweiz heissen) auch die Bremsbelege: "Mit denen würde ich aber nicht weiter fahren: Total abgefahren!" Das war gerade das passende Thema für meinen Heizer (Stoker): "Ich habe dir doch gesagt: Du kümmerst dich um die Technik!" Der Kapitän schweigt betreten.... Im nächsten Dorf (Innertkirchen) gab es einen Fahrradladen, der sogar Pino-Bremsbelege hatte. Wir hatten nun fast eine Stunde verloren, waren also immerhin sicher die Letzten. Dummerweise lief das Vorderrad auch jetzt noch nicht frei: "Das muss sich erst einschleifen", sagte der Velomech. Na mit scheifender Bremse 30km bergauf zum Grimsel: Das kann ja heiter werden! Das Wetter war jedenfalls nicht heiter, sondern nach nächtlichem Regen bedeckt und feucht. So war nur stummes Treten angesagt Glücklicherweise ist die weibliche Blase von Natur aus kleiner als die männliche, so gab es so manche Verschnaufpause. Nach 2h war die erste (von drei) Talsperren. (Diese drei Seen dienen als Stromspeicher: Nachts, wenn Europa kaum Strom braucht, kauft die Schweiz Strom und pumpt Wasser vom unteren in den oberen See, um tagsüber das Wasser wieder über das Kraftwerk zurückfliessen zu lassen und den gewonnenen Strom zu verkaufen.)

Grimsel
[left]http://lh6.ggpht.com/heertsch/SM-XMvdsWuI/AAAAAAAAC_s/duX66Gk9Vds/s400/SNC00011.jpg[/left]Schliesslich geht es in Serpentinen steil (manchmal war nur noch schieben möglich) bergauf. Aber der kleinste Gang hat doch ziemlich lange gereicht. Geredet wurde jetzt nicht mehr, nur noch tief geatmet - um es mal vorsichtig auszurücken. In unserer Sprachentwicklung regradierten wir entsetzlich: Wir waren schon wieder bei den Ein-Wort-Sätzen angekommen: "Schieben?" "Weiter!" Die Steigung nimmt weiter zu: "Schieben?" "Jetzt!" Der Kapitän bremst und Pino steht auf der Stelle. Alle 4 Beine runter. Jetzt das Teil schieben! Heizer wird dispensiert. Ist also wirklich steil! Na, hilft nichts, ankommen ist alles. Man lernt, nicht mehr so viel mit sich zu diskutieren: Einfach weiter, weiter. Wir kommen also wirklich auf dem Grimsel an. Neblig, nasskalt. Immerhin gibt es noch Bouillon-Suppe, die tut jetzt wirklich gut! Das Wasser und die Coca sind dagegen kalt. Tatsächlich finden wir die letzten Fahrer und machen uns bald wieder auf die Räder. Nun bergab: Champion! Da könnt ihr uns alle mal! Leider waren nicht mehr so viele da, die uns alle mal konnten. Aber immerhin. Der Heizer mahnt vor jeder Kurve: „Nicht so schnell!“ Nun, sie kann ja auch nichts machen -Endlich ist sie mir mal ganz ausgeliefert. Ich geniesse das natürlich. Zu aller Freude kommt jetzt auch die Sonne durch.

Furka
[right]http://lh3.ggpht.com/heertsch/SM-Xm5-o5ZI/AAAAAAAADAM/P9meJGsDhGI/s400/SNC00015.jpg[/right]Unten in Gletsch trennen sich die Routen. Wir wählen die für Warmduscher (Silber), es geht also gleich wieder Bergauf. Auf dem Foto sieht man die Serpentinen: Erst rechts vom Grimsel `runter dann links wieder zum Furka rauf. Nun wollte der Heizer mal Kapitän sein: also wechselten wir die Plätze und stellten Sattel und vorderes Kettenrad ein. Das war allerdings ein kurzes Vergnügen. Nach 50 m war sie „alle“ und ich besorgt, schliesslich mussten wir noch zwei Pässe. Wir wechselten zurück. Nun ging es die lange Rampe zu Furka hoch. Bald kehrten wir wieder zu den bekannten Ein-Wort-Sätzen zurück. An einer steilen Stelle wollte ich noch Aufnahmen machen und sie schob nun. Plötzlich kam ein Wagen von der Tourenpatrouille - ob alles Ok sei? Ja, klar. Es später wurde mir klar, dass der sich ich ohne Rad irgendwie nicht recht vorstellen konnte. Yvonne war ja schon weit voraus. Nun auch das Bellevue am Furka wurde erobert. Mittlerweile herrschte herrliches Wetter. Oben auf dem Furka vermissten wir dann die sehnsüchtig erwartete Verpflegungsstation. -Na da werden wir uns aber beschweren! Später erfuhren wir, dass gar keine vorgesehen war.
Die Abfahrt nach Andermatt hatte einen Schönheitsfehler: Je tiefer wir kamen, desto steifer wurde der Gegenwind. Schliesslich mussten wir sogar bergab treten. Auf der Station in Andermatt trafen wir dann auf die Gold- und möglicherweise sogar auf die ersten Platinfahrer (5 Pässe, 7000 Höhenmeter, 276 km). Nach kurzer Rast und zunehmender Mittagshitze ging es weiter nach Wasen. (Wer einmal mit der Bahn durch den Gotthart gefahren ist, wird vielleicht das Kirchlein von Wasen gesehen habe, wegen der Bahntunnel sieht man es dreimal aus verschiedener Höhe) In Wasen ging es dann wieder hoch zum Susten-Pass.

Susten
Es blieb heiss und wir hatten bald all unser Powergel und Krafttrunk und was alles verbraucht, aber der Pass war noch längst nicht zu sehen. 30 km Rampe in Mittagshitze und mit Puddingbeinen war kein Vergnügen. Vor uns zwei dunkelhäutige Engländer, die vor Erschöpfung kaum noch geradeaus fahren konnten. Wir überholten sie zwar, aber nach unserer nächsten Rast (endlich etwas Schatten) waren sie nochmals vor uns. Was hilft es, wenn man merkt, dass man einen Planungsfehler begangen hat: Wir mussten etwas zu essen haben! Yvonne wusste von ihrer letzten Tour, dass da kurz vor dem Pass noch eine Wirtschaft kam. Also die Hoffnung auf die Wirtschaft hielt uns hoch -na ja hoch ist etwas übertrieben, sie war der Grund, das wir nicht über andere Möglichkeiten, die Tour zu beenden, nachdachten. Übringens Kilometer sind keineswegs gleichlang! Diese hier waren extrem lang. Tatsächlich gab es die erhoffte Wirtschaft - auf den letzen Kilometer bis dahin wurden die Intervalle zwischen Fahren und Schieben immer kürzer. Endlich erreicht. Dass der Wirt ein bisschen schwer von Begriff war, konnte uns in dem Zustand auch nicht mehr aufregen. Immerhin hatten wir wieder etwas zu beissen und zu trinken.
[left]http://lh4.ggpht.com/heertsch/SNlc88AzwxI/AAAAAAAADCg/BZW6KB-2Bok/Alpenbrevet3-1.jpg[/left]Nach einem wohlen Päuschen ging es also weiter. Und hurra -zunehmend besser. Wir mochten wieder! Merke: Wer nichts ist und trinkt kann auch nichts leisten - wer hätte es gedacht? Plötzlich: wir biegen um eine Ecke und endlich der Tunnel durch den Pass ist da. Auf der anderen Seite die Verpflegungsstation.

40 km Abfahrt! Da kann man sich in die Kurven legen. Ein Flugsimulator ist nichts dagegen. Nur selten wurden wir hier überholt -und auch nur, weil ich manche Kurven lieber „anständig“ fahren wollte. Schliesslich mündeten wir in Innertkirchen wieder auf die Ausgangsstecke. Jetzt war nur noch die 90m Anhöhe vor Meiringen zu bewältigen. Ich sah uns wieder schieben, aber keineswegs - wir waren jetzt richtig „gut drauf“ überholten noch einige und fuhren glatt die Serpentinen hinauf.
Als wir dann die Ziellinie überquerten, wurden wir per Lautsprecher mit „Da kommt ja unser Tandem wieder!“ herzlich begrüsst.

Fazit
Fazit: Bergab geht es Spitze. Bergauf ist ein Liegerad sowieso meistens im Nachteil (es wird behauptet, dass das durch Training ausgeglichen werden könne) Und ein Pino wohl erst recht. Wir haben es also geschafft, aber es wird (für uns) einmalig bleiben. Rennräder sind für so etwas besser geeignet. - Und Scheibenbremsen sind gut konstruiert: Sie blockieren, wenn sie am Ende sind.

Andreas + Yvonne
Zuletzt geändert von Schaufelfahrer am 09.10.2008, 23:48, insgesamt 18-mal geändert.

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Beitragvon jodi2 » 24.09.2008, 07:34

Ich hatte ähnliche Probleme an der Scheibenbremse des Alttags-MTBs, gleiches Modell wie am Pino, mehrfach, vorne und hinten, bis zur völligen Blockade, ohne Zerlegen, nur durch Schmutz und Korrosion (bei sanftem Straßeneinsatz mit Schutzblechen!), erst der dritte Mechaniker hat es wieder vorübergehend hinbekommen.
Mein Fazit: Nie wieder Scheibe für ein Alltagsrad, nur da wo nötig, also Extremes wie echten Downhill o.ä..
Am Tandem mag ich sie aber wegen viel Bremskraft bei wenig Handkraft und verschleißfreien Felgen auch nicht missen, bei unserm Pino hatten wir scheinbar Glück und hatten immer gute Mechaniker bei Erstmontage und Inspektionen...

Gruß
Jo

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Weiterlesen: Es ist gut, wenn abgefahrene Bremsen blockieren

Beitragvon Schaufelfahrer » 24.09.2008, 11:51

Hallo Jo!
in unserem Fall (beim Weiterlesen wäre das klar geworden :wink: ) war es unsere Rettung: Die Dinger waren total abgefahren...

Herzlich
Andreas

ps. Ich hätte den Bericht als Ganzes ins Forum gesetzt, aber da gibt es offenbar eine Längenbeschränkung, deshalb der Link auf die zusätzliche Website

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Beitragvon pinolino » 02.10.2008, 06:37

Moin!
Glückwunsch zu den erfolgreichen Passeroberungen!
Eines möchte ich aber noch anmerken: Dass Scheibenbremsen "blockieren, wenn sie am Ende sind" halte ich für sehr ungewöhnlich und würde mich auf keinen Fall darauf verlassen.
Die Bremsbeläge an unserer Pino Bremse (Magura Louise FR 06) haben neben den eigentlichen Belägen kleine "Verschleißindikatoren". Werden diese von der Scheibe berührt, gilt der Belag als abgefahren. Das erzeugt auch ein anderes Geräusch als üblich. Man kann mit Hilfe dieser "Knubbel" den Verschleiß ohne Ausbau der Beläge grob überprüfen. Für ausgebaute Beläge gibt es bei Magura ein einfaches Prüfverfahren: messen der Gesamtdicke. Neue Beläge müssen unbendingt eingefahren werden - das erhöht die Bremswirkung und, laut Magura, auch die Standfestigkeit gegen Überhitzen.
Gute Fahrt,
joerg

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Beitragvon Schaufelfahrer » 02.10.2008, 08:40

Moin Jörg,
würde mich auf keinen Fall darauf verlassen

nee - ich auch nicht. Danke für Deine klare Beschreibung, wie man so eine (wirklich gefährliche) Panne vermeidet!
Andreas

jebent
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Beitragvon jebent » 02.10.2008, 15:22

pinolino hat geschrieben:Man kann mit Hilfe dieser "Knubbel" den Verschleiß ohne Ausbau der Beläge grob überprüfen. Für ausgebaute Beläge gibt es bei Magura ein einfaches Prüfverfahren: messen der Gesamtdicke.


Man kann ohne Ausbau auch mit die Dicke mit der Transportsicherung testen, auf Magura.de unter Service Faq anzugucken:
Magura


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